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Stand: 22.12.2004

Singende Zellen

Krankheiten am Klang erkennen

Die Membranen verschiedener Zellen schwingen in spezifischen Frequenzen. Diese Vibrationen konnten die beiden Zellforscher James Gimzewski und Andrew Pelling von der University of California für menschliche Ohren hörbar machen. Da gesunde Zellen anders "singen" als kranke, könnte dies vielleicht zu einer neuen Diagnosemethode führen. 

Mikroskopbild einer Hefezelle © Andrew Pelling / UCLA
Mikroskopbild einer Hefezelle
Das ungewöhnliche Experiment hat in der Fachwelt Bewunderung ausgelöst, aber auch Skepsis. "Es ist möglich, dass die Geräusche von etwas anderem als den Zellen herrühren", sagte Hermann Gaub, Professor für angewandte Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, dem "Smithsonian Magazine". "Wenn es aber tatsächlich die Zellen sind, dann stehen wir vor einer revolutionären und unglaublich wichtigen Entdeckung." Alle bis jetzt durchgeführten Kontrollexperimente, freut sich Pelling, bestätigen die Theorie der singenden Zellen.

Pulsieren in der Petrischale

Den Anstoß für die musikalische Zellforschung gab ein Kardiologe. Der erzählte, dass Herzzellen, solange sie mit Nährstoffen in einer Petrischale liegen, weiterhin schlagen. Daraufhin fragten sich Gimzewski und Pelling, ob auch andere Zellen pulsieren. Und wenn ja, würden sie hörbar vibrieren? Antwort fanden sie mithilfe der Nanotechnologie. Um in die winzige Nanowelt der Moleküle und Atome einzudringen, verwenden Forscher ein Rasterkraftmikroskop. Am Ende eines biegsamen Arms sitzt eine winzige Spitze. Diese bewegt sich über eine Zelle und misst dabei jede Vertiefung und Wölbung. Die Daten werden vom Computer in eine dreidimensionale Abbildung umgewandelt.

Das hohe C der Hefezellen

Rasterkraftmikroskop © nanonet
Dieses Hightechverfahren erinnerte die beiden an den guten alten Plattenspieler. Sie ließen die Nadel aber nicht über die Zelloberfläche wandern, sondern fixierten den Biegearm an einem Punkt der Zelle. Es habe sich gezeigt, erklärt Pelling, dass sich die Hefezellmembran im Schnitt 1.000-mal in der Sekunde um drei Nanometer (= Milliardstel Meter) hebe und senke. Technisch auf das für Menschen hörbare Frequenzspektrum verstärkt, singen Hefen ein hohes C oder D. Unter dem Einfluss von Alkohol fangen sie sogar an, in höchsten Tönen zu "schreien".

Krankheiten am Klang hören

Doch die beiden Forscher beschränken sich nicht auf den Bäckerpilz. Kürzlich haben sie sich entartete Lymphozyten, Blutzellen, angehört: "Sie klingen wie Lärm oder atmosphärische Störungen im Radio", so Pelling im "Smithsonian Magazine": "Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse eines Tages in die Diagnostik integriert werden können. Dann könnte man allein am Klang der Zellen beurteilen, ob jemand Krebs hat oder kurz davor ist."

Web-Tipp

Möchten Sie hören, wie eine singende Zelle klingt, lärmt oder schreit? Das Projekt "The Dark Side of the Cell" im Netz:
www.darksideofcell.info/

Wird diese Hoffnung enttäuscht, bleibt jedenfalls ein künstlerischer Erfolg: Pelling komponierte mit der deutschen Medienkünstlerin Anne Niemetz das erste Konzert der Welt, in dem nur singende Zellen den Ton angeben: "The Dark Side of the Cell" wurde kürzlich in L.A. uraufgeführt.

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